Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Studierendenprojekts "Norbert Tadeusz und die figürliche Malerei seit 1960".
Von Kerstin Hochhaus
Verrenkte Körper, verknotete Gliedmaßen, menschliches Fleisch in unnatürlichen Posen. Das hat mich zu Tadeusz gebracht. Für mich wirkten die Bilder performativ, bewegt, belebt. Aus Performance und Film kommend sah ich in ihm einen spannenden Maler mit einem Interesse an Bewegung und Körperformen. Was tut der Körper, wenn er in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird? Wie verändert sich der Körper unter Anspannung? Mit welchen Perspektiven lässt sich auf den Körper schauen?
Je länger ich schaue, desto mehr Details sehe ich, die mich irritieren. Eine masturbierende Frau auf einem Tisch, an dem zwei Männer sitzen, die sie anschauen. Eine nackte Frau auf einem Fahrrad. Eine Frau auf einem Glastisch, nicht nur entblößt, sondern geradezu präsentiert, bereit für den Geschlechtsakt. Überall nackte Menschen, selbst im Pferderennen – meist sind es Frauen. Es sind Ansichten, die mich rätseln lassen, was dahintersteckt. Ist es wirklich noch ein malerisches Interesse am Körper?
Dann kommt die Erkenntnis, dass er sich gar nicht für den Körper interessiert: „Im Bild haben Personen nichts anderes zu tun, als sich so wie Dinge zu verhalten, die werden so lange hin und her geschoben, bis sie in der Komposition stimmen“, sagt er in einem Interview mit Walter Grasskamp. Ersichtlich wird diese Einstellung, wenn im Bild die Heizung relevanter erscheint als die Person im Vordergrund oder eine Arbeit als Interieur behandelt wird, bis jemand die hockende Nackte hinter dem Stuhl im Zentrum erkennt. Das Argument scheint beinahe rational. Es geht ihm also um die Komposition. Wie verhalten sich die Dinge im Bild zueinander? Er hasst Perspektive und versucht, die Mehransichtigkeit, die er bei Tintoretto so schätzt, durch collagierte Kompositionen zu erreichen. Anschaulich ist im Film gezeigt, wie er die Fotos der Pferderennen auseinandernimmt und nur das herausnimmt, was ihn interessiert. Er schiebt herum, setzt neu, verwirft, zeichnet vor, übermalt wieder und am Ende wird die Collage auf die Leinwand übertragen – er ist schließlich Maler. Mir gefällt der suchende Prozess, die Gier nach Form und Perspektiven, nach surrealen Verschiebungen, Täuschungen, Aufsichten, an Stellen, an denen das nicht möglich wäre. Aber es ist eben auch immer diese Aufsichtigkeit. Auf eine Perspektive unterhalb seiner Augenhöhe lässt er sich nicht herab. Er schaut auf Fleisch hinunter, das aufgebahrt im Schlachthaus hängt. Er schaut auf Pferde und Reiter hinunter, die sich gegenseitig bis aufs Blut ins Ziel verfolgen. Er schaut auf weibliche, nackte Körper hinunter, arrangiert sie im Bezug zur Heizung, zur Strumpfhose, zum Flügel, zum Glastisch.
Wer ist er?
Was macht es, dass Tadeusz als weißer, katholischer, männlicher Maler Frauen so malt? Diese Frage ist da, seitdem ich die Ausstellung betreten habe. Wer dürfte es eher? Wäre es in Ordnung, wenn eine Frau sich selbst in diesen Posen malt – übertragen von Fotos, die sie selbst geschossen hat? Und ist es jetzt nicht in Ordnung? Wie wäre es zu lesen, wenn die Autorinnenschaft dieser Bilder bei einer feministischen Künstlerin läge, die einen maskulinen Blick in der männlich dominierten Kunst- und Rezeptionsgeschichte kritisch adressiert? Und – kann Tadeusz sich mit der Berufung auf Form und Farbe aus der Affäre ziehen, sich zu seinem Frauenbild explizit äußern zu müssen?