Kunstwelten: All We Need Is Love #2

14.02.2021 Sara Hirschmüller

Melchior Lechters Glasgemälde zeigt die voneinander getrennten namensgebenden Liebenden Tristan und Isolde und vereint christliche, literarische und musikalische Motive mit einer besonderen Lichtwirkung. "Tristan und Isolde"-Fenster, 1896. Foto: LWL / Sabine Ahlbrand-Dornseif

Autorin: Laura Nübel (Mitarbeiterin Kunstvermittlung)

Bleiben wir bei den mächtigen Erzählungen von Liebe, so wird unser Weg gekreuzt vom talentierten Tristan und der schönen Isolde. Melchior Lechter schuf 1896 das „Tristan und Isolde-Fenster“ für sein Berliner Wohnatelier. Der Legende nach wirbt Tristan stellvertretend für seinen Onkel um die irische Prinzessin Isolde. Auf ihrer Heimreise trinken die Unglücklichen jedoch versehentlich einen Liebestrank und verlieben sich unsterblich ineinander. Treffen im Verborgenen folgen. Wie es kommen musste, werden sie entdeckt und getrennt. Tristan stirbt darauf an einer Kriegsverletzung. Isolde erkrankt und stirbt ebenfalls. Lechter beschäftigte sich mit symbolistischen Themen, im Besonderen mit dem Spektrum der menschlichen Gefühle. Ihn interessierten explizit das Leiden Tristans und die Sehnsucht Isoldes. Isoldes nackter, heller Körper wird umweht von ihrem langen flammenden Haar. Sie umgeben gleichfarbige Gräser und Lilien. Diese Attribute symbolisieren Leidenschaft und Sinnlichkeit. Alle Bildelemente in ihrer Bildhälfte sind in Tristans Richtung geneigt. Wie zur Umarmung, fast ekstatisch, reckt er ihr seine Arme entgegen. Tristans leidend geballte Fäuste und die sehnsüchtig an den Kopf geschlagenen Hände Isoldes spiegeln sich in der schmerzerfüllten Mimik der Verliebten. Zu den Füßen der Figuren windet sich eine Schlange, die neben dem Bildaufbau (vgl. das vergangene Kunstwerk) als „Anspielung auf den Sündenfall und den schmerzvollen Verlust des Paradieses, der nur durch den Tod überwunden werden kann“, gedeutet werden kann.

Wer nach dieser Zusammenkunft denken mag, den Tod überdauernde Liebe gäbe es nur in Märchen und Mythen, der hat die Rechnung ohne einen der Blauen Reiter gemacht. Als nächstes begegnen wir einer dunkelhaarigen Frau mit grünblauem Hut. In August Mackes Porträt Frau des Künstlers mit Hut von 1909 betrachten wir Elisabeth Macke durch die liebenden Augen ihres Gatten. Sie ist eines seiner häufigsten Motive. Bereits auf dem Schulweg Hand in Hand gehend, entspann sich die untrennbare Verbindung. Sie ist ihm Zeit seines Lebens Muse und Modell. Elisabeth Macke berichtet: „Er war glücklich, in mir ein brauchbares Modell gefunden zu haben, denn er hasste es, sich mit stumpfsinnigen Mädchen abzugeben, die keine harmonische Bewegung aus sich machen konnten und mühselig zurechtgestellt werden mussten. Aus dieser ersten Zeit stammen die beiden Porträts von mir, eines mit lila Mantel im grünen Velourhütchen …“ Weiteres Zeugnis einer Künstlerliebe legt Otto Dix in dem Bildnis des Malers Willy Kriegel mit dem Porträt seiner Frau von 1932 ab. Für das Gemälde von Dix stand das Ehepaar Modell. Er hält die Hingabe und Akribie fest, mit der Kriegel Marie Louise porträtiert. Sie erstrahlt über ihm, kalt, wie nicht von dieser Welt. Ihre Schönheit ist nicht fassbar, fast anbetungswürdig. Das von Kriegel geschaffene Porträt existiert tatsächlich. Leider ist sein Verbleib heute unbekannt. In diesen Reigen dürfen sich auch Elisabet Ney und die Büste von Edmond D. Montgomery gesellen. Die erfolgreiche Künstlerin und der schottische Arzt lernten sich bei seinem Studium in Heidelberg kennen. 1863 begaben sie sich auf eine Reise nach Madeira. Ney begleitete den an Tuberkulose erkrankten Mr. Montgomery zum Kuraufenthalt in das bessere Klima. Ebendort, am 7.11. desselben Jahres, heiratete das Paar. Die Eheschließung wurde von ihnen jedoch geheim gehalten. Elisabet Ney wollte ihre Selbstständigkeit in den Augen der Öffentlichkeit gewahrt wissen. Aus dieser Zeit stammt die Plastik ihres Gatten. Sie hält ihn mit vollem Haar, weichen Lippen und einer ebenmäßigen Nase für die Ewigkeit fest.

Ein weiteres berühmtes Ehepaar, das heute in der Sammlung beheimatet ist, sind Martin Luther und Katharina von Bora. Ihre gleich großen Hochzeitsporträts sind in der Werkstatt Cranachs d. Ä., 1525/1526 entstanden. Lucas Cranach pflegte eine enge Freundschaft zu Luther. Er war am 13. Juni 1525 Trauzeuge bei seiner Hochzeit. In dem Abenteuer, das heute Teil der Reformationsgeschichte ist, verlässt 1523 die hier als vornehme Dame dargestellte Nonne von Bora mit einigen Freundinnen das Zisterzienserinnenkloster Nimbschen und siedelt nach Wittenberg über. Ihr dunkles Gewand wird kontrastiert von ihren hellen sprechenden Händen, die in Richtung ihres Mannes deuten. Am Zeigefinger trägt sie einen Ehering. Im Vergleich zu anderen Hochzeitsporträts fällt hier auf: Nicht Stand und Herkunft werden in den Mittelpunkt gerückt – Wappen oder schmuckreiche Attribute fehlen. Warum? Es ist festzuhalten, dass ganze Serien des Reformators und seiner Frau in der Cranachwerkstatt entstanden. Deshalb ist anzunehmen, dass es sich um eine propagandistische Darstellung des Zölibatbruchs, der unerhörten Heirat einer Nonne und eines Mönchs, handelt. „Der Ehestand ist die schönste Ordnung, denn er ist von Gott eingesetzt, von dem er auch erhalten wird. Aber der gottlose Stand des Papstes ist nur eine gewaltsame Unterdrückung der Natur; da doch das menschliche Leben, welches sonst sehr arm, mühselig und kurz ist, Kinder zu zeugen geneigt ist“, so rechtfertigt Luther die Abkehr von der Enthaltsamkeit.

Zum Thema der Treue und Enthaltsamkeit kann auch das Porträt des Carl Emil Ulrich Baron von Donop von 1756 beitragen. Verwunderlich, nicht aufgrund des ansprechenden Äußeren des Freiherrn sondern seiner Einzeldarstellung. Hinter dem Gemälde verbirgt sich eine weitreichendere Geschichte. Baron von Donop führte in den Augen mancher Zeitgenossen ein skandalträchtiges Leben. Er heiratete unter Stand die 24 Jahre ältere Beamtenwitwe Marie Salomé Firnhaber aus Frankfurt. Allerdings war diese mit einem Vermögen von 200.000 Talern sehr gut betucht. Von diesem Geld kaufte er ein Schloss, welches im Hintergrund des Porträts zu sehen ist. Ende gut, alles gut? Mag man wohl denken, aber der edle Herr selbst bezog nie die Residenz. Frau Firnhaber fristete ihr Dasein alleine dort, während er mit seiner Mätresse und seinen vier Kindern in Kassel lebte. Er selbst hat das Werk für das Anwesen bei Johann Heinrich Tischbein d. Ä. in Auftrag gegeben, um als gemalter Vertreter seiner Selbst bei seiner einsamen Ehefrau zu sein. Liebe ist in diesem Fall wohl die Erzählerin der Geschichte – aber wem sie zuteil wird, ist eine andere.

Den Abschluss unserer Reise durch die Welten und Herzen der Museumsbewohner:innen bildet wieder die Beziehung einer Mutter zu ihren Kindern. Das Familienbildnis des Grafen Johann II. von Rietberg von Hermann tom Ring wird 1564 von seiner Frau Agnes in Auftrag gegeben. Es ähnelt auf dem ersten Blick dem eben begutachteten Typus des Hochzeitsporträts, zählt aber zu den ungewöhnlichsten und glanzvollsten deutschen Familienbildern des 16. Jahrhunderts. Diesen Ruf hat es sich unter anderem durch seine vielen sprechenden Objekte verdient. So wird das Bild durch das gemalte Zettelchen im Zentrum datiert. Die Namen der Anwesenden finden sich wiederum eingeritzt im Gesims der rahmenden Architektur. Was die Fehlstellen der Restaurierung im Bild erzählen, ist, dass die Familie von Rietberg nicht nur zu Lebzeiten eine leidvolle Geschichte durchlebte: Die prächtige Tafel wird im 19. Jahrhundert in mehrere Teile zerstückelt, um auf dem Kunstmarkt gewinnbringend veräußert zu werden. Erst am Ende des 20. Jahrhunderts kann die Familie wieder vereint und per Neutralretusche, einer Restaurierungstechnik, vervollständigt werden. Im wahrsten Sinne also handelt es sich um eine zerrissene Familie. Graf Johann von Rietberg war 1562 nach zwei Jahren in Haft unter Verlust aller Ehren gestorben. Festgehalten wird sein Ableben im Bild durch das Vanitasmotiv der Sanduhr mit Totenkopf und dem Todesdatum des Grafen. Zwei Jahre später ergeht der Auftrag seiner Ehefrau an tom Ring, um durch die erhabene Darstellung die Familie zu rehabilitieren und so für einen Fortbestand des Wohlstandes zu sorgen. Gleichzeitig verfolgte Frau von Rietberg mit dem Bildnis der beiden Töchter ein weiteres Ziel. Walburg und Ermengard, die sieben- und dreizehnjährigen Mädchen, die ihrer Mutter sehr ähneln, spielen eine wichtige Rolle: Es geht nicht nur um den Beweis der Familienbande, des Wohlstands und Wissensstands der Familie, sondern darüber hinaus um den Hinweis auf ihre Rolle als zukünftige Heiratskandidatinnen. Ausgestattet sind sie mit einer Nelke und einem Rosmarinzweig, ein Attribut, das sich häufig auf Verlöbnisbildern findet. Abseits dieses Gemäldes bat die Mutter immer wieder darum, der weiblichen Nachkommenschaft das Erben des Lehens zu ermöglichen und damit mit einer langen Tradition zu brechen. Wirken die Frauen auf der Tafel in ihrer Beziehung zueinander eher distanziert, so handelt es sich hinter der Fassade um einen hingebungsvollen und erfolgreichen Kampf einer starken Mutter um das Erbe und den Ruf ihrer Töchter, welcher ohne Zweifel von wahrer Liebe zeugen kann.

Mannigfaltig sind die Dimensionen der Liebe, denen wir auf diesem Rundgang folgen konnten. Manchmal sind es die Dargestellten, manchmal ihre Geschichten und manchmal die Künstler selbst, die ein Werk mit Liebe füllen oder umgeben. Egal wie himmelhoch jauchzend oder zum Tode betrübt: Tröstlich bleibt, dass Liebe wirklich allgegenwärtig ist.

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Kategorie: Kunstwelten