Kunstwelten: Die vereinte Familie Rietberg

08.04.2021 Sara Hirschmüller

Hermann tom Ring (1521–1596), Familienbild des Grafen Rietberg, 1564, Öl auf Eichenholz

Autorin: Anna Kenkel (stud. Volontärin Kunstvermittlung)

Heute möchte ich mit dir in die Welt der westfälischen Renaissance eintauchen. Dabei ist die Betrachtung der Familie tom Ring und ihrer Werke unumgänglich. Das LWL-Museum für Kunst und Kultur hat einen ganzen Raum mit Werken dieser Familie. Direkt beim Betreten des Raumes fällt der Blick auf das Familienbild des Grafen Johann II. von Rietberg, eines der wichtigsten Werke von Hermann tom Ring. Er malte dieses Werk 1564 im Auftrag der Gräfin Agnes von Rietberg.

Doch war die Familie nicht immer so vereint wie jetzt auf dem Bild zu sehen, weder damals, als sie noch lebten, noch das Kunstwerk selbst. Denn dieses wurde im 19. Jahrhundert aus Profitgier in drei Teile zersägt, sodass die einzelnen Porträts verkauft werden konnten. Im Jahre 1956 wurde der Gemäldeteil der Töchter aus dem englischen Kunsthandel für das Museum gekauft. Zwei Jahre später wurde daraufhin das Porträt des Vaters ebenfalls in England erworben und fand seinen Weg in den tom-Ring-Saal. Dieses war dort bereits unter dem Titel Lord Darnley bekannt, welcher 1567 ermordet und der Ehemann von Maria Stuart war. Erst 1989, also gute dreißig Jahre nach dem Kauf, fand man das Porträt der Gräfin in einem sehr bekannten Auktionskatalog und konnte es ersteigern. Leider wurde diesem Porträt 20 cm seiner Unterseite abgeschnitten, weshalb heute noch die Hände der Gräfin fehlen. Beim genauen Betrachten fallen der helle Lichtfleck und die Schnittkanten auf. Der Hintergrund konnte von den Restaurator:innen sehr gut  rekonstruiert werden, allerdings bleibt offen, was die Gräfin in den Händen hielt.

Aber wieso war die Familie nicht immer so geeint, wie auf dem Bild zu sehen? Dafür müssen wir uns die Familiengeschichte der Rietbergs genauer anschauen. Johann II. von Rietberg (* 1523) wurde von seinen Zeitgenossen „der Tolle“ genannt und 1551 Graf von Rietberg. Seine Frau Agnes heiratete er ebenfalls in diesem Jahr. Ihre erste Tochter Ermengard, hier rechts neben ihrer Mutter zu sehen, wurde im Jahr 1551 geboren. Walburg, ihre zweite Tochter und ihr letztes gemeinsames Kind, wurde 1557 geboren. Damit haben wir erst einmal viele Zahlen, aber keine Erklärung für die familiäre Trennung oder für den Entstehungsgrund des Bildes. Das Ereignis, was für beides verantwortlich war, nahm bereits 1556 seinen Lauf. Der Graf hatte seinen Finanzverwalter, Rentmeister, bei Unregelmäßigkeiten ertappt und ihn daraufhin im Februar 1556 hängen lassen. Dessen Bruder überfiel aus Rache das Haus Holte der Rietbergs. Dies erzürnte wiederum Graf Johann II. von Rietberg, sodass er Vergeltung übte. Schließlich wurde Johann II. von Graf Bernhard zur Lippe und dem Bischof von Paderborn auf seiner Burg belagert. Dieser ergab sich erst am 2. Juni 1557 und wurde in Haft genommen. Am 9. Dezember 1562 verstarb er bei den Augustinern in Groß St. Martin in Köln.

Seine Lehnsbriefe konnten zu dieser Zeit jedoch nur an männliche Erben weitergegeben werden, somit wurde Rietberg an den Lehnsherrn Phillip von Hessen übergeben. Gräfin Agnes wollte jedoch auch dieses Land für ihre Töchter sichern. Nach zweijährigen Verhandlungen mit Phillip von Hessen stellte dieser einen Lehnsbrief für ihre Töchter aus und Gräfin Agnes erreichte so ihr Ziel. Genau zu dieser Zeit entstand das Werk.

Es erfüllte mehrere Funktionen: Zum einen ist es ein Erinnerungsstück an den Grafen Johann II. von Rietberg, es vermittelte den Reichtum der Familie und zeigt die noch unverheirateten Töchter. Diese Interpretationsmöglichkeiten lassen sich vor allem durch die Attribute in den Händen erkennen. Nebeneinander aufgereiht auf gleicher Höhe erhält jedes Familienmitglied durch die Hintergrundarchitektur seinen eigenen Raum. Ganz links sitzt der Vater in edler Kleidung und verweist mit seiner rechten Hand in die Bildmitte. In seiner linken Hand hält er eine Sanduhr, auf der ein Totenkopf und sein Todesjahr 1562 mit der Inschrift COGITA MORI zu sehen ist. Damit wird deutlich auf seinen Tod verwiesen. Die Töchter tragen kostbare Kleidung mit viel Schmuck, was sie deutlich im Bild hervorhebt. Auch der Reichtum der Familie wird dadurch, besonders auch mit den exotischen Tieren (Papagei und Affe), deutlich. Zusätzlich überreicht Walburg ihrer Schwester gerade eine Nelke, welche wiederrum häufig auf Verlöbnis- und Hochzeitsbildern anzutreffen ist und hier das heiratsfähige Alter von Ermengard betont. Das Buch in Walburgs rechter Hand betont die gute Bildung der beiden, was wieder für eine mögliche Vermählung von Bedeutung ist.

Das Familienbildnis der Rietbergs ist also das gemalte Konzept einer klugen und kämpferischen Witwe und Mutter, die ihrer Familie die Zukunft sichern wollte. Dieses Bild führt uns vor Augen, mit welchen Mitteln versucht wurde, die Familie zu rehabilitieren und die Zukunft der Töchter zu sichern und wie mit Kunstwerken teilweise umgegangen wurde.

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Kategorie: Kunstwelten