Eine Künstlerin zwischen Boheme und Bürgertum
Autorin: Dr. Elisabeth Janik-Freis (Mitarbeiterin Kunstvermittlung)
Am 29. Juni 1927 starb die Künstlerin Ida Gerhardi im Alter von 64 Jahren in Lüdenscheid. Gerhardi begann zwar ihre Karriere als professionelle Malerin erst vergleichsweise spät, doch schuf sie bis zu ihrem Tod ein facettenreiches Oeuvre, das uns heute noch in stimmungsvolle Welten voll leuchtender Farben entführt. Ihr künstlerisches Wirken macht sie zu einer bedeutenden Malerin der Klassischen Moderne. In die Wiege gelegt worden war der gebürtigeren Hagenerin die Malerei aber nicht.
Der frühe Tod ihres Vaters August Gerhardi (1831–1869) und die daraus erwachsende finanzielle Notlage zwangen Mathilde Gerhardi (geb. Dieckmann, 1840–1917) und ihre drei Kinder zum Wegzug aus Hagen. Sie ließen sich in 150 Kilometer entfernten westfälischen Detmold bei Verwandten nieder. Hier besuchte die junge Gerhardi eine höhere Töchterschule und genoss dort eine bürgerliche Erziehung. Jedoch war sie rasch mit der engen und vor allem konservativen Lebenswelt des westfälischen Bürgertums konfrontiert, in der die Rolle der Frau in der Gesellschaft klar geregelt war und malende Frauen oder gar Künstlerinnen keinen Platz hatten. Auch wenn der Weg zur Ausbildung steinig war, gelangte sie fast 30jährig an die Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins, wo sie von der Landschaftsmalerin Tina Blau unterrichtet wurde. Auch für viele andere Künstlerinnen, wie Käthe Kollwitz oder Maria Slavona war die Münchner Damenakademie eine wichtige Station.