Autorin: Sara Hirschmüller (stud. Volontärin Kunstvermittlung)
Wir fragen Dr. Daniel Müller Hofstede, verantwortlich für das Kulturprogramm des Museums, und sprechen über die besonderen Herausforderungen für das Museum während der Schließung und seine Highlights im Programm.
Was sind Ihre Aufgaben hier im Museum?
Dr. Daniel Müller Hofstede: Ich bin für das Kulturprogramm verantwortlich d.h. mein Job ist es, unser Museums-Kerngeschäft – also die Sammlung und die Ausstellungen – durch die Hinzuziehung anderer künstlerischer Disziplinen wie Literatur, Musik, Film, Tanz etc. zu flankieren, also zu ergänzen oder neu zu befragen. Den Besucher:innen entsteht dadurch, über das konkrete Kunstwerk hinaus, ein informativer, atmosphärischer oder ästhetischer Mehrwert.
Das bedeutet konkret, dass wir Autorinnen, Choreografen, Musikerinnen usw. einladen, aus der Perspektive ihrer jeweiligen Sparten unsere Themen in ein neues, anderes Licht zu setzen – im Rahmen z.B. von Literaturgesprächen, Konzerten, Tanzperformances und theatralen Formaten. Aber natürlich geht’s auch um den vielperspektivischen Blick der Wissenschaft, sprich wir laden auch Wissenschaftler:innen zu ganz klassischen Vorträgen ein.
Wie lange sind Sie schon am Haus?
Ehrlich gesagt: mit kleinen Unterbrechungen schon ganz schön lange! Ich habe 1998 mit der großen Europarats-Ausstellung zum Westfälischen Frieden angefangen. Etwa zehn Jahre lang habe ich die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Hauses verantwortet und dann hat sich kurz vor dem Jubiläumsjahr 2008, 100 Jahre Landesmuseum, die Möglichkeit eines Rollenwechsels ergeben. Das, was ich vorher nebenher und aus Liebhaberei gemacht habe, also etwa Filmreihen zu organisieren oder Autor:innen einzuladen, eröffnete sich als eigenes Aufgabenfeld. Es war eine Art Versuchsballon in diesem speziellen Jahr und um im Bild zu bleiben: der ist erstaunlich gut geflogen und schließlich auch weich gelandet. Was dann erfreulicherweise dazu geführt hat, dass dieser Aufgabenbereich verstetigt wurde.
Was war Ihre Lieblingsveranstaltung oder besonderes Highlight in ihrer Zeit hier am Museum?
Das ist wirklich schwer zu sagen, es gab so derartig viele schöne, inspirierende oder anrührende Abende. Eigentlich ist es stets die gerade zurückliegende Veranstaltung.
Vor einer Woche etwa hatten wir, gerade noch knapp vor dem erneuten Lockdown, ein Literaturgespräch bzw. eine Buchvorstellung mit der Gefühlsforscherin Ute Frevert aus Berlin. Das war eine intensive Unterhaltung mit einer sehr klugen, nachdenklichen und lebendigen Historikerin, aus dem man voller Anregungen, sowie politischer und kulturgeschichtlicher Bereicherungen zu unser Sonderausstellung Passion Leidenschaft herausging.
Zu den „ältesten Kindern“ des Kulturprogramms, der FilmGalerie und unserer Konzertreihe BilderHören, habe ich naturgemäß eine besonders enge Bindung, was mich aber auch immer wieder besonders anspricht sind die Veranstaltungen, bei denen es gelingt, aus unseren Ausstellungen gesellschaftspolitische Themen herausdestillieren, wie etwa bei „Homosexualität_en“ oder „Frieden!“
Was sind die besonderen Herausforderungen, die aktuell zu Zeiten von Corona, an Ihren Job gestellt werden?
Das Kulturprogramm hat es natürlich besonders hart erwischt, ohne jetzt zu sehr jammern zu wollen, aber es lebt einfach vom gemeinsamen, sinnlichen Erleben. Es ist schon ein großer Unterschied, ob man Cees Nooteboom oder Navid Kermani bei einer Lesung live erlebt, bei einem Foyer-Konzert mit Hauschka sprechen kann oder nach einem Film zusammen diskutiert oder das alles nur auf der Mattscheibe stattfindet.
Aber andererseits haben die letzten Monate gezeigt, dass im digitalen Bereich auch viele interessante Dinge organisierbar sind und dort in guten Falle auch inhaltliche und strategische Mehrwerte zu erzielen sind. Ein gutes Beispiel ist die Einladung an das TanzTheaterMünster in der Tadeusz-Ausstellung, die ja dem Shutdown ab März zum Opfer fiel, einzelne Werke tänzerisch zu interpretieren. Die sieben Tänzer:innen haben sich dann jeweils ihre Exponate ausgesucht und diese sehr innig und individuell „vertanzt“ und diese einzelnen Choreografien wurden dann wiederum von einem glücklicherweise kongenialen Kameramann und Filmemacher gefilmt. So entstand eine großartige Reihung von Kabinettstücken, bei denen eine dreifache, künstlerische Staffelung zustande kam, die bei einer Life-Performance gar nicht passiert wäre: Die bildende Kunst Tadeusz‘, deren tänzerische Interpretation durch die Compagnie des Theaters und wiederum das Abbilden und Überformen durch die Kunstform Film. Und neben diesem künstlerischen Mehrwert hatte dieses virtuelle Format natürlich auch eine ganz andere Reichweite, wir haben damit enorme Klickzahlen erreicht. Also klar, dass wir in dieser Richtung weiter planen müssen, aber ehrlich gesagt: ich freue mich schon wieder sehr auf analoge Zustände!
Wenn Sie eine Veranstaltung, ganz egal welche und wie realistisch, hier ans Haus holen könnten… Welche wäre das?
Es wäre schon traumhaft, demnächst endlich ein Großprojekt realisieren zu können, dass ich seit einer Weile mit mir herumtrage: Eine regelmäßig im Jahr stattfindende Talkrunde, bei der von einem aussagekräftigen Kunstwerk unseres Museums, ein großes und zugleich aktuelles Thema angetriggert wird, etwa Geschlechterkampf, das Fremde, Angst, Schönheit u.ä., das dann mit passenden Gästen, z.B. einer Regisseurin, einem Publizisten, einer Politikerin oder einem Wissenschaftler aus verschiedenen Blickwinkeln verhandelt wird.
Das wäre ein Format, das in perfekter Weise die Vielfalt unserer Sammlungen und der in ihr lebendigen Inhalte mit unserem Anspruch vereinen würde, als Museum als Ort des Diskurses zu wirken. Die Beschäftigung mit gesellschaftlichen, politischen und sozialen Themen via Kunst, quasi Museum als gesellschaftlicher Resonanzraum, als soziale und intellektuelle „Erlebnis-Maschine“. Man darf ja nicht vergessen, dass bildende Kunst selbst ja nicht zuletzt auch eine Praxis von Kommentierung, Infragestellung und Reflexion darstellt.